Sonntag, 21. September 2014

Ein Tag in Achtsamkeit

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Einen Tag bewusstes Schweigen - keine Uhr, kein Handy, nur die Stille und man selbst.

Anfang des Jahres habe ich einen achtwöchigen Achtsamkeitskurs gemacht und mich während dieser Zeit jeden Tag eine Dreiviertelstunde in achtsamer Meditation, Yoga oder dem sogenannten Body Scan geübt. Ok, sagen wir fast jeden Tag. So ein Vorhaben ist nämlich ganz schön ambitioniert, wenn man das "Leben verändern" gern auf morgen verschiebt und mit Disziplin sonst nicht viel am Hut hat. Aber der Kurs und die wöchentlichen Treffen helfen beim Durchhalten.

Dieses Wochenende habe ich einen Tag der Achtsamkeit in einer Gruppe von ehemaligen Kursteilnehmern gemacht. Sechs Stunden abwechselnd Sitzmeditationen, Yoga und Gehmeditationen. Alle zusammen, aber jeder für sich. Außer der Kursleiterin spricht niemand.
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Warum tut man so etwas? Um zu sehen, was von einem übrig bleibt, wenn alle äußeren Reize abgestellt sind. Was macht mich aus, wenn ich nicht mehr zwischen verschiedenen Mozilla-Tabs wechsle, auf dem Weg von A nach B hetze oder mich durch das Fernsehprogramm switsche, auf der ständigen Suche nach Information und Zerstreuung? Was bleibt in der Stille?

Sicherlich sind sechs Stunden in Meditation keine Kompletttransformation. Aber es ist aufschlussreich sich mal für ein paar Stunden nur auf sich zu konzentrieren. Was für Wellen schlagen einem entgegen! Der kleinste Gedanke kann in der Stille einen Höllenlärm machen. Gefühle, sonst unter Alltagspflichten vergraben, haben freie Bühne. Es ist nicht immer angenehm. Vieles, was wir vielleicht lieber nicht sehen oder fühlen möchten, kommt hoch. Ein Tag in Meditation ist kein Wellnesstag, es geht nicht um Entspannung. Es geht darum, still zu werden und wahrzunehmen, was ist - was immer es grade ist. Man lernt, dass Gedanken und Gefühle Wellen sind: sie kommen - und sie gehen auch wieder. Alles ist im Fluss. Manchmal, nach einer Zeit des stillen Beobachtens, der äußeren Stille und vielleicht inneren Unruhe, setzen sich diese Gedanken wie Teilchen im Wasser am Grund ab und man wird ruhig, es klärt sich auf. Wie schön können diese Momente der inneren Stille sein, und seien sie auch nur für einige Augenblicke. 

Wie beruhigend zu wissen, dass man auch einfach nur SEIN kann, ohne dass es irgendetwas anderem bedarft als Stille und Atem. Einfach nur SEIN, in einer Gesellschaft, die dem TUN den größten Wert beimisst, in der jede Minute Lebenszeit dem Maß der Effizienz unterliegt.

Freitag, 12. September 2014

Wochenmärkte in Lyon - oder: Warum ich Wochenmarkttouristen verabscheue und manchmal doch selbst einer bin

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Beim letzten mal nahm ich euch mit über Lyons Büchermärkte; heute zeige ich euch, dass auch die einfachen Dinge - Tomaten, Chicorée, Honig - auf Lyons Wochenmärkten zu Poesie werden. In Lyon gibt es eigentlich keine Notwendigkeit sein Gemüse in sterilen, neonröhrenbeleuchteten Supermärkten einzukaufen. Schließlich gibt es an jeder Ecke und an fast jedem Tag in der Woche Wochenmärkte, auf denen Verkäufer und Erzeuger aus der Region ihre Produkte und sonnengereiften Früchte unter freiem Himmel anbieten.
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Ich liebe es in fremden Städten und Ländern über Wochenmärkte zu flanieren. Welch eine Vielfalt an Produkten, die auf die Besonderheiten der Region schließen lassen. Auf französischen Märkten fallen mir da immer besonders die Stände ein, die ausschließlich Ziegenkäse in allen Formen und Variationen anbieten. Daneben Gemüsestände, die ihre knackigen Coeur du boeuf - "Ochensenherzen" (Tomaten) - zu Bergen stapeln. Der Duft von saftigen Brathähnchen regt die Speicheldrüsen an.
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090911 383_ Gleichzeitig habe ich eine ganz schlimme Abneigung gegen Wochenmarkttouristen, die über den Markt schlendern, haufenweise Fotos schießen (und wenn sie so schüchtern sind wie ich, nichtmals um Erlaubnis fragen) und dann weiter zum nächsten Kaffeestand bummeln um dort bei einem Latte Macchiato die "herrliche Marktatmosphäre" zu genießen. Und dann, mit voller Speicherkarte und leeren Taschen weiterlaufen. Oder, wenn es ganz schlimm kommt, auch noch unschuldige Gemüsehändler damit belästigen, dass sie ja nichts kaufen können, weil sie nicht von hier sind und eigentlich aus xy sind, um auch noch ein authentisches Gespräch mit einem Einheimischen mit nach Hause zu nehmen. Dafür habe ich wohl zu lange auf der anderen Seite der Verkaufstheke gestanden, um davon nicht genervt zu sein. Der Markt lebt vom Verkaufen. Nicht davon, dass Touristen ihn schön finden und die nette Atmosphäre, die von Gemüsebergen und Blumenmeeren ausgeht, gratis bei einer Tasse Kaffee mitkonsumieren. Marktarbeit ist Knochenarbeit zum Broterwerb, keine Frischwarenausstellung - mal aus Händlerperspektive betrachtet. Da können einem umherschlendernde Touristen schonmal ganz schön auf die Nerven gehen...
090911 380_ 281111 522_ Also verhalte ich mich als Tourist auf Wochenmärkten entweder unauffällig und genieße nur mit Augen und Ohren, ohne allzu aufdringliche Fotos zu machen. Oder ich kaufe auch etwas. Ein paar Zwetschgen lassen sich doch wunderbar beim weiteren Spaziergang essen! Und wieso den Käse später im Supermarkt kaufen, wenn er hier auch zu haben ist? Das nehme ich dann als moralischen Freifahrtschein um auch noch ein paar Fotos mitzunehmen.
So. Soweit die Theorie. In der Tat bin aber auch ich manchmal ein ganz schlimmer Wochenmarkttourist und benehme mich wie oben beschrieben. Aber ich bemühe mich.

Zurück zu Lyon. Die Franzosen haben einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik. Deswegen platzieren sie ihre Wochenmärkte wenn möglich an platanengesäumten Allen oder an Flussufern, wie hier am Ufer der Rhône.
Eigentlich hatte ich noch einen dritten Post in der Lyon-Markt-Reihe geplant. Dann aber festgestellt, dass ich vom Künstlermarkt, der jeden Sonntagvormittag am Saôneufer stattfindet, nur ein einziges verschähmt geschossenes Foto besitze. Wohl aus eben beschriebenen Markttouristenbedenken. Auch wenn dieses Bild nicht so recht zu überzeugen vermag, sage ich euch: dringende Besuchsemfehlung!!!
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Hach, Lyon...

Donnerstag, 4. September 2014

Early september morning walk - the art of promenade

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Es gibt solche Tage, da weiß ich schon beim Aufwachen, dass der Tag und ich keine Freunde werden. Schlecht geträumt, muffelig und irgendwie energielos. Heute war so ein Morgen. Nach dem Frühstück habe ich beschlossen, dass die Pflichten des Alltags noch ein Weilchen warten können und ich mir Zeit für einen Morgenspaziergang nehme. Das herbstlich klare Licht überredete mich dazu, vorsichtshalber auch meine Kamera einzupacken.
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Losgegangen. Kalte, frische Luft durch meine Lungen strömen lassen. Angefangen, hier und da das schöne Licht, den Morgentau, die Blumen mit der Kamera einzufangen. Und auf einmal stelle ich fest, dass ich eine Stunde knipsend, selbstverloren durch die Gegend geschlendert bin und die Welt um mich herum vergessen hab. Die Energie für den Tag ist zurück. Der Morgen und ich, wir haben uns versöhnt.
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Spaziergänge sind mein kleines Allheilmittel. Ein Problem lässt sich bei leichter Bewegung so viel besser durchwälzen. Oder noch besser: einfach still sein, dem Lichtspiel und der Natur zusehen, für eine Zeit jeden Gedanken aus dem Kopf verbannen und einfach nur das Jetzt genießen. Die Sonne, den Wind auf der Haut fühlen. Den unebenen Waldboden unter den Fußsohlen. Achtsam gehen. Und wenn man heimkehrt sind keine Probleme gelöst, aber irgendwie erscheint es jetzt machbarer. Ich liebe Spaziergänge. Die Ruhe so nah vor der Tür zu haben, dafür bin ich dankbar, in nur fünf Minuten zu Fuß bin ich im Wald.
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140904 079_ Fotografieren hilft, die kleinen Wunder wahrzunehmen. Mit einer Kamera in der Hand fallen mir so viel mehr Kleinigkeiten auf. Man darf nur nicht vergessen, sie auch außerhalb des Kameradisplays zu genießen. Nicht nur auf der Jagd nach schönen Motiven sein, sondern die Kamera als Sehilfe nutzen, um auf diese Dinge aufmerksam zu werden. Das bedeutet für mich Fotografieren.
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